L-TV Interview Dr Berret

8. September 2021

Begünstigt Corona die Kurzsichtigkeit von Kindern? Interview mit L-TV

Dr. Berret wurde als Experte für einen Beitrag des Landesfernsehen interviewt. Inhalt des Interviews war die durch coronabedingte Umstände veränderte Wahrscheinlichkeit für Kinder eine Kurzsichtigkeit zu entwickeln.

Den Videobeitrag können Sie sich in der Mediathek des Landesfernsehen anschauen:

Transkript:

Die Schulen wurden von der Corona Pandemie hart getroffen. An Unterricht im Klassenraum war lange nicht zu denken. Stattdessen war Homeschooling die Devise. Doch der Schulunterricht vor Tablet, Handy und Computer kann nicht nur zum Lernerfolg führen, sondern auch die Augen von Kindern nachhaltig schädigen.

Laut einer neuen Chinesischen Studie im British Journal of Ophthalmology hat sich die Kurzsichtigkeit unter den Kindern besonders während der Pandemie verstärkt. Wir haben uns in Heilbronn mit Dr. Rudolf Berret getroffen und ihn gefragt, was diese Ergebnisse für Schulkinder in Deutschland und der Region bedeuten.

Dr. Berret: „Also die Studie die Sie ansprechen beinhaltet rund 1.800 Kinder in Hong Kong und beinhaltet zwei Gruppen. Gruppe 1 sind Kinder aus der Prä-Corona-Zeit, Gruppe 2 jetzt in den Corona-Jahren. Hier zeigte sich deutlich eine Zunahme der Kurzsichtigkeit, speziell bei den 6- bis 8-Jährigen Kindern, um rund 60 Prozent.

Wobei die Übertragbarkeit auf deutsche Verhältnisse nicht eins zu eins möglich ist. In einer weiteren Studie zeigte sich, dass die Zunahme der Kurzsichtigkeit bei europäischen Kindern in China nur ungefähr die Hälfte dessen beträgt, was sie bei chinesischen Kindern beträgt.“

Doch was genau sorgt für die Zunahme der Kurzsichtigkeit?

Dr. Berret: „Also es sind zwei Aspekte. Da ist zum einen mal der genetische Aspekt. Dass bei asiatischen Kindern durch Naharbeit eine deutlich stärkere Zunahme der Kurzsichtigkeit erfolgt, als zum Beispiel bei europäischen Kindern.

Der zweite Aspekt ist einfach die wesentliche Veränderung der Lebensumstände. In südostasiatischen Ländern haben wir eine äußerst kompetitive Gesellschaft, dass heißt Kinder werden noch viel früher als bei uns zum Lesen angehalten, verbringen wesentlich mehr Zeit vor digitalen Endgeräten, sind wesentlich weniger draußen, haben dadurch auch weniger Tageslicht.“

Welche Auswirkungen hat die Kurzsichtigkeit auf die Augen von Kindern? Sind die Folgen der erhöhten Bildschirmarbeit irreversibel?

Dr. Berret: „Ein einmal zu lang gewachsenes Auge schrumpft im Lauf der Zeit nicht mehr. Betroffen sind insbesondere die 6- bis 8-jährigen Kinder. Es ist so, dass bis zum Ende der Kindergartenzeit die Kinder in aller Regel normal oder leicht weitsichtig sind. Mit dem Eintritt in die Schule, mit dem Beginn intensiverer Naharbeit nimmt dann die Kurzsichtigkeit zu, im Sinne der sogenannten Schulmyopie (Schulkurzsichtigkeit).

Das Gemeine ist, je früher Kurzsichtigkeit beginnt, desto stärker wird die Kurzsichtigkeit im späteren Leben sein.“

Aber was können Kinder und Eltern dagegen tun?

Dr. Berret: „Die einfachsten Möglichkeiten, um ein Voranschreiten der Kurzsichtigkeit zu minimieren sind, lassen Sie Ihre Kinder raus. Die Berufsgesellschaften empfehlen mindestens 2 Stunden pro Tag Aufenthalt im Freien. Wenn man zum Beispiel mit digitalen Endgeräten arbeitet, ist es hilfreich den Monitor möglichst weit weg zu stellen. Hier ist beispielsweise ein größerer PC-Monitor hilfreich.“

Dr. Berret empfiehlt Eltern mit den Kindern öfter zum Sehtest zu gehen.

Dr. Berret: „Das ist auf jeden Fall sinnvoll, weil durch eine frühzeitige Diagnose und gegebenenfalls frühzeitige Therapie das Voranschreiten der Kurzsichtigkeit auf ein Minimum reduziert werden kann.“

Die Folgen der Pandemie treffen Kinder also nicht nur durch nicht aufgeholten Schulstoff, sondern auch durch die coronabedingte Bildschirmarbeit. Wenn Eltern aber darauf achten, dass ihre Schützlinge öfter Pausen einlegen und auch draußen spielen, kann die digitale Schule auch Chancen bieten.

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